#5 Verschwörungsglaube – Warum Menschen an Verschwörungsmythen glauben und was man dagegen tun kann



Wir werden von Echsenmenschen regiert, die Erde ist eine Scheibe und hinter allem stecken die Illuminaten. Besonders in Zeiten, die als krisenhaft wahrgenommen werden, boomen Verschwörungserzählungen. Die beiden Blogartikel zu QAnon und Incels zeigen beispielhaft, wie aktuell erfolgreiche Verschwörungsmythen aussehen und welches Gefahrenpotenzial sie entwickeln können. Doch warum gehen so viele Menschen Verschwörungsmythen auf den Leim und wie geht man am besten mit Verschwörungsgläubigen im eigenen Umfeld um?

Aus aktuellem Anlass ist es besonders wichtig, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, denn “knapp ein Drittel der Deutschen glaubt an eine Verschwörungserzählung über das Corona-Virus”. Dabei handelt es sich nicht nur um ein paar versprengte “Spinner”. Studien zeigen, dass Verschwörungsglaube in allen Teilen der Gesellschaft zu finden ist (Zicket et al.: 2019). Bereits im Februar 2020 warnte die WHO in diesem Zusammenhang vor einer “Infodemie”. Derzeit befinden wir uns mitten in einer herausfordernden Phase einer Pandemie, während über die sozialen Medien weiterhin behauptet wird, dass Covid-19 erfunden oder ungefährlich sei und “die Medien” kritische Informationen zum Thema Impfen unterdrücken würden. Dem sollte Zivilcourage entgegengesetzt und widersprochen werden, damit sich entsprechende Falschbehauptungen und Verschwörungserzählungen nicht ähnlich schnell wie das Virus verbreiten.

Warum glauben Menschen an Verschwörungsmythen?

Wir leben in einer Welt, die als unsicher wahrgenommen wird. Viele Menschen haben in einer komplexen Realität das Bedürfnis nach Sicherheit und klaren Verhältnissen. Verschwörungsmythen nutzen dieses Bedürfnis aus. Sie brechen komplizierte Sachverhalte auf simple Zusammenhänge herunter (Komplexitätsreduktion) und entlasten das Individuum von der eigenen (Mit-)Verantwortung (“Die … sind schuld!”; “Es gibt keine Klimakrise!”; “Das Corona-Virus ist nicht gefährlich!”; etc.). Der Glaube an Verschwörungserzählungen hilft den Anhänger*innen dabei, nicht weiterhin von der Ungerechtigkeit und Unüberschaubarkeit der Welt überfordert zu sein, und geben klare Deutungsmuster nach “gut/böse”, “richtig/falsch” und “Freund*in/Feind*in” vor (Dichotomisierung).

Verschwörungsideolog*innen stellen sich als Kämpfer*innen für “das Gute” dar und werden so zu Held*innen der eigenen Geschichte. Sie sind in ihrer Welt diejenigen, die die verborgenen Windungen der Welt erkannt haben und sich aufrecht gegen “Das Böse” stellen. Der Verschwörungsglaube bringt daher meistens eine moralische Selbstüberhöhung mit sich. Dies sieht man beispielhaft an der Selbstbezeichnung als “Erleuchtete” oder “Querdenker*innen”, an Missionierungsversuchen wie “Könnt ihr es denn nicht erkennen?!” oder der Abwertung von Nicht-Verschwörungsgläubigen als “Schlafschafe” oder “Systemlinge”. Durch gefühlsbetonte und einseitige Darstellungen wirken Verschwörungsideologien extrem manipulativ.

Es ist wichtig, zwischen Menschen zu unterscheiden, die bisher nur einzelne lose Verschwörungserzählungen glauben und Menschen, die bereits ein geschlossenes Weltbild mit zugehöriger Verschwörungsideologie haben oder sogar bereits selbst Verschwörungsideolog*innen sind und andere Menschen missionieren wollen. Bei erstgenannten hat man häufig noch eine Chance, sie mit vernünftigen Argumenten und Fakten zu erreichen.

Häufig fangen Verschwörungsgläubige mit vermeintlich harmlosen Verschwörungserzählungen an, wie: “Die Mondlandung hat nicht wirklich stattgefunden” oder “der Anschlag vom 11. September wurde von den Amerikanern nur inszeniert” und schauen sich dazu Videos auf YouTube oder Beiträge auf unseriösen Webseiten an. Je mehr verschwörungsmythisches Material sie sich ansehen, desto tiefer rutschen diese Menschen in den Kaninchenbau hinein. Irgendwann stellt man sich die Frage “Wer steckt dahinter?/Wem nützt das?” und landet dann bei größeren Verschwörungsideologien über “die Illuminaten”, “die Elite”, “das Judentum”, ” die gesteuerte Mainstreammedien” usw.

Wie gehe ich mit Verschwörungsglauben in meinem Umfeld um?

Haltung entwickeln: Bevor man sich auf eine anstrengende Diskussion mit Verschwörungsgläubigen einlässt, sollte man sich zunächst bewusst machen wie man sich selbst verortet. Stellt euch die Frage in welcher Welt ihr selber leben wollt. Vielleicht wollt ihr ja in einer Welt leben, in der zwar alle Menschen unterschiedlich, aber gleichwertig sind. Könnt ihr euch darauf mit eurem Gegenüber einigen, so habt ihr bereits eine gemeinsame Basis.

Dagegen halten und widersprechen: Verschwörungsideolog*innen nehmen sich oft heraus für die Allgemeinheit zu sprechen oder dem Glauben anzuhängen zu wissen was “das Beste für alle sei”. Es ist wichtig dem zu widersprechen und zu verdeutlichen, dass ihr andere Standpunkte vertretet. Dies ist nicht nur wichtig, damit Verschwörungsgläubige eventuell anfangen die eigene Position zu reflektieren (dies ist wahrscheinlicher je offener die Person noch für Kritik ist), sondern auch weil Schweigen von der Person selber und von Umstehenden als Zustimmung gewertet werden kann. Hilfreich ist es, wenn man bereits in einer frühen Phase interveniert, bevor die betroffene Person in den beschriebenen Verschwörungsabwärtsstrudel gerät.

Ausdauer haben: Damit ist nicht gemeint ein Thema ewig zu diskutieren, sondern dass man immer wieder, an verschiedenen Stellen, die Verschwörungsmythen als solche offen legt. Weltbilder zu verändern dauert länger als einen Tag.

Nicht zu sehr auf Details eingehen: Verschwörungsgläubige haben sich meistens mit einer großen Anzahl an Versatzstücken von Verschwörungserzählungen, belegt mit angeblichen Fakten eingedeckt. Sie sind selbst die Expert*innen der jeweiligen Verschwörungserzählung, daher ist es ohne eigenes Fachwissen schwierig alles bis ins kleinste Detail zu widerlegen. Verschwörungsgläubigen geht es zudem häufig nicht um Fakten, sondern darum, dass sich “die Geschichte richtig anfühlt” (Buttner 2018). Und wenn man es nicht schafft alle Details aus dem Stehgreif widerlegen zu können, dann fühlt sich die betroffene Person im eigenen Weltbild am Ende noch bestätigt.

Fakten checken und Fakes widerlegen: Falls die Möglichkeit besteht kann man einzelne Details auf Faktencheckseiten jedoch überprüfen und eventuell widerlegen (Debunking). Dies hilft wahrscheinlich nicht bei Leuten, die keinerlei Vertrauen mehr zu den Qualitätsmedien haben. Für Faktenchecks ist beispielsweise der Faktenfinder der Tagesschau hilfreich.

Quellenkritik: Sollte auf vermeintliche Beweise oder Quellen verwiesen werden, kann man zudem gemeinsam prüfen, ob die Person tatsächlich Expert*in auf diesem Gebiet ist und ob sie vielleicht eine komplette Außenseitermeinung in einer bestimmten Profession vertritt. Man kann hier auch bewusst mit Fragen arbeiten wie: “Warum glaubst du dieser Peron?”, um eventuell eine kritische Selbstreflexion in Gang zu setzen.

Antidemokratische und menschenfeindliche Inhalte offenlegen: Neben schlichten Falschbehauptungen und Fake News, transportieren Verschwörungsmythen auch demokratiefeindliche und menschenfeindliche Weltbilder. Um solche, teils extrem rechte, Überzeugungen offenzulegen, solle man sich die Frage stellen, welches Feindbild konstruiert wird. Werden bspw. rassistische, antimuslimische, antisemitische, sexistische oder homophobe Stereotype bedient? Weist euer gegenüber darauf hin, welche Weltsicht in der Verschwörungsideologie vertreten wird. Schaut euch hierzu gerne nochmal die Begriffsdefinitionen von “Rechtsextremismus” und “Rechtsradikalismus” an.

Sachlich und empathisch bleiben: Lasst nach Möglichkeit das Gespräch nicht im Streit enden, dann verliert ihr eventuell den Zugang. Bleibt empathisch und versucht die Ängste und Verunsicherungen der Person zu verstehen, die dazu führen, dass sie einer Verschwörungsideologie anhängt. Dabei geht es hier nicht darum nachzugeben. Es muss kein Kompromiss auf Kosten demokratischer Werte und der Menschenrechte gemacht werden.

Solidarität mit Betroffenen: Verschwörungsgläubige sind in erster Linie keine Opfer. Sie haben sich dazu entschieden, ein eventuell menschenfeindliches Weltbild zu vertreten und haben sich von Fake News täuschen lassen. Opfer sind diejenigen, die als “das Böse” in den jeweiligen Verschwörungensmythen auserkoren werden.

Wenn nichts davon hilft, dann kann man sich an Beratungsstellen wenden. Sektenberatungsstellen in NRW und Berlin haben das Thema “Verschwörungsmythen” beispielsweise in ihre Beratungstätigkeit aufgenommen, da die Mechanismen sich extrem ähneln. Alternativ kann man Angebote der, auf rechtsextreme Ideologien spezialisierten, Mobilen Beratung in Anspruch nehmen. Die Amadeu Antonio Stiftung bietet zudem über das Projekt “No World Order” Vorträge, Worhops und Bildungsmaterial zum Thema Verschwörungsmythen an.

Abbruch: Wenn Anhänger*innen von Verschwörungsideologien keinen Argumenten zugängig sind und ihre Ideologie versuchen weiterhin zu verbreiten, dann fordert sie auf dies zu unterlassen. Wenn das nicht hilft, dann kann das Gespräch oder der Chat auch abgebrochen werden. Den Kontakt komplett abzubrechen und Verschwörungsgläubige zu isolieren, sollte nur der letzte Schritt sein. Es gilt andere vor Verschwörungsideologien zu schützen.

Randnotiz: Es handelt sich hier um eine Zusammenfassung der Tipps aus der Literatur, Zeitungen, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Amadeu Antonio Stiftung, ergänzt mit eigenen Inhalten. In dem Buch Fake Facts ist zudem auf Seite 277ff. eine sehr gute Anleitung dafür wie man in konkreten Gesprächssituationen auf unerwartete Verschwörungserzählungen reagieren kann.

Für diejenigen, die sich tiefergehend mit dem Themenfeld “Verschwörungsideologien” befassen wollen, habe ich wie immer ein paar Podcast-, und Videoempfehlungen sowie weiterführender Literatur und Links zusammengestellt:

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2 thoughts on “#5 Verschwörungsglaube – Warum Menschen an Verschwörungsmythen glauben und was man dagegen tun kann

  1. […] von “Fake News” diskutiert haben, haben rechte Demagog*innen die Zeit genutzt diese in Verschwörungsmythen und Feindbildkonstruktionen einzuweben. Gefühlt hinkt man in der Bekämpfung von rechten Inhalten […]

  2. […] Verschwörungsmythen nutzen verschiedene, immer wiederkehrende Motive. Eines davon ist die jüdische Lüsternheit und […]

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