Die AfD ist im Parteienspektrum zwischen der NPD und den Unionsparteien (CDU + CSU) einzuordnen. Wobei häufig eine Bewegung der Partei in Richtung NPD attestiert wird. Sie gründete sich 2013 als Reaktion auf die EU-Finanzpolitik in Bezug auf die Währungs-, Wirtschafts- und Finanzkrise und die Rettungspolitik gegenüber in finanzielle Notlage geratene Staaten wie Griechenland (Pfahl-Traughber 2019: 4f.). Seitdem hat es die AfD nicht nur ins Europaparlament und die Landtage, sondern auch in den Bundestag geschafft.
Grundlegend kann man die Partei in drei Flügel aufteilen: Den liberalkonservativen Flügel, den nationalkonservativen Flügel und den deutschnationalen/neurechten Flügel (ebd.: 6). Seit ihrer Gründung hat die Partei Abspaltungsprozesse und viele interne Streitigkeiten und Richtungsänderungen erlebt. Daher stellt sich die Frage: Wie stellt sich das Machtgefüge innerhalb der Partei inzwischen dar und inwiefern hat sich die Partei radikalisiert?
Die Radikalisierung der AfD
Der Diskurs über einen Rechtsruck der AfD ist nicht neu. Spätestens 2015 mit dem Austritt des ehemaligen Gesichts der Partei, Bernd Lucke, und mit ihm circa 20% der Partei, ist eine Bewegung nach rechts für alle sichtbar (ebd.: 6). Nicht nur durch die personelle Schwächung des liberalkonservativen Flügels, auch durch die rechtspopulistischen Äußerungen von Parteifunktionär*innen im Zuge der Krise der Asylpolitik, machten die Ausrichtung der Partei deutlich (vgl. Isemann/Walther 2019: 160). Im Zuge dessen öffnete sich die Partei zudem in Richtung rechter Bewegungen wie Pegida und der Identitären Bewegung (vgl. Häusler 2018).
Mit dem zweiten großen Machtkampf und dem Bündnis von Meuthen, Gauland und Höcke gegen Petry, der mit ihrem Austritt endete, manifestierte sich die Entwicklung in Richtung rechts außen (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 6). Seit der Gründung hat der liberalkonservative Flügel zunehmend an Macht und Führungspersönlichkeiten verloren, während der nationalkonservative Flügel sowie der deutschnationale Flügel stückweise zusammengewachsen sind und an innerparteilicher Macht gewonnen haben. Anzumerken ist jedoch, dass die AfD auch schon vor der Trennung von Lucke enge Verbindungen zur sogenannten Neuen Rechten hatte und von deren Vordenker*innen und Medien gepusht wurde (vgl. Häusler 2018). Verbindungen zum äußerst rechten Spektrum haben demnach von Beginn an bestanden und sich immer weiter intensiviert.
Zunehmend wurden Migrant*innen, Muslim*innen, Medienschaffende und “die politische Elite” zu konkreten Zielen und Projektionsfläche eigener Ängste gemacht (vgl. Isemann/Walther: 170). So wurde nicht nur personell, sondern auch inhaltlich eine Radikalisierung klar erkennbar.
Sollte die AfD zum Verdachtsfall hochgestuft werden?
Vorab: Es geht darum, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD zum Verdachtsfall hochstufen sollte. Dies würde die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, wie das Abhören von Telefonen oder den Einsatz von V-Leuten ermöglichen. Zudem hätte es voraussichtlich weitreichende Konsequenzen auf die weitere Entwicklung der Partei sowie für die Generierung von Spendengeldern. Nachfolgend wird kein Verbot der AfD diskutiert. Wie bei der NPD wäre hierfür der Verfassungsschutz nicht zuständig. Dies müsste in einem Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden.
Der aktuelle Stand:
Noch diese Woche könnte das BfV bekanntgeben, wie er mit der AfD weiter verfahren möchte. Bereits letztes Jahr hat das BfV angekündigt eine entsprechende Entscheidung Anfang 2021 zu verkünden. 2019 wurden die Teilorganisation “Der Flügel” und die Jungendorganisation “Junge Alternative” (JA) zum Verdachtsfall erhoben. Die AfD ist derzeit ein Prüffall (Vorstufe zum Verdachtsfall). Der offiziell aufgelöste “Flügel” wurde sogar im März 2020 vom BfV als “gesichert rechtsextremistische Bestrebung” eingestuft und war somit bereits über das Stadium des Verdachtsfalls hinaus (volles Beobachtungsobjekt). Landesverbände der AfD wurden von einzelnen Landesämtern für Verfassungsschutz bereits zum Verdachtsfall (wie in Thüringen) oder Beobachtungsobjekt (Brandenburg) eingestuft.
Bevor näher diskutiert wird, warum die AfD zum Verdachtsfall hochgestuft werden sollte, sollte zunächst geklärt werden, was genau unter einem Verdachtsfall beim Verfassungsschutz verstanden wird:
“Hierunter werden Organisationen erfasst, die nicht eindeutig extremistisch sind, bei denen aber hinreichend gewichtige ‘tatsächliche Anhaltspunkte’ für den Verdacht extremistischer Bestrebungen vorliegen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG).” “Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen.”
Es stellt sich hier also nicht unbedingt die häufig diskutierte Frage, ob die AfD in ihrer Summe als gesichert rechtsextremistisch einzustufen ist (das wäre beim Beobachtungsobjekt der Fall), sondern darum, ob es “hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte” gibt, die bspw. Verstöße gegen die Menschenwürde, das Demokratie- und/oder Rechtsstaatsprinzip nahelegen. Falls dies der Fall ist, ist der Verfassungsschutz verpflichtet die Organisation als Verdachtsfall einzustufen.
Öffentliche Äußerungen: Dieser Blogartikel kann leider nur einen Ausschnitt der Positionen zeigen, die als extrem rechts einzustufen sind (eine detaillierte Analyse findest du bei Pfahl-Traughber 2019: 9-21).
“Umvolkung”; “Denkmal der Schande”; “Gesinnungsterroristen”; “Parasiten”; “Gender-Wahn”; Beschreibungen des Attentats des rechtsextremen Terroristen Breivik auf Utøya als nachvollziehbaren Akt; Begriffe wie “Lügenpresse” und “Überfremdung”, die bereits von Goebbels zur Propaganda genutzt wurden; Formulierungen wie: “Dieses System muss weg”; die Absprache des Meinungsrechts von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoguz durch Gauland; die Delegitimierung der gewählten Regierung, durch Begriffe wie “Kanzler-Diktatorin”, dies und viele weitere Beispiele zeugen von antifeministischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, NS-verharmlosenden, demokratieablehnenden und somit letztlich extrem rechten Positionen (vgl. u.a. BfV 2020; Isemann/Walther: 170ff.; Pfahl-Traughber 2019: 9-21).
Das Argument, dass sich nur die Prominenz der Partei entsprechend radikal bis extremistisch äußert und die Parteibasis anders eingestellt sei, erscheint wenig plausibel, wenn entsprechendes Führungspersonal immer wieder von der Parteibasis gewählt wird und das, obwohl sich alle in der Partei bewusst sind, dass sie bereits seit zwei Jahren als Prüffall vom Verfassungsschutz eingestuft sind. Auch eine tiefere Analyse von Social Media-Accounts (wie ich das bspw. im PANDORA-Projekt getan habe) zeigt das rechte Weltbild der Mitglieder. Des Weiteren zeigen Aussteiger*innenberichte, dass intern deutlich radikaler als nach außen gesprochen wird (vgl. bspw. Schneider 2018).
Positionen in den Wahlprogrammen: Beobachter*innen wie Kleinert (2018) argumentieren, dass vornehmlich in den westlichen Landesverbänden, keine extrem rechten Forderungen in den Programmen der AfD stehen würden und die Partei daher nicht radikal oder extremistisch sei.
Dem muss widersprochen werden.
Die vielen öffentlichen menschen- und demokratiefeindlichen Äußerungen und Handlungen, Entgleisungen in den sozialen Medien sowie geleakte Hintergrundgespräche legen die Ideologie offen. Die Entscheidung nicht offen extremistisch im Partei- und den Wahlprogrammen zu erscheinen, ist als rein taktisch zu werten, um einer genaueren Beobachtung des Verfassungsschutzes zu entgehen. Zudem lassen sich auch aus den Wahlprogrammen mindestens antimuslimischer Rassismus und Migrant*innenfeindlichkeit, also Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und somit Kernmerkmale der extremen Rechten erkennen (vgl. bspw. das Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2017: Kapitel 4,5 und 6).
Schlussfolgerung: Aus politikwissenschaftlicher Perspektive gibt es mehr als nur “hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte”, die eine Hochstufung zum Verdachtsfall notwendig machen. Außerdem sind Teilorganisationen ohnehin bereits Verdachtsfälle oder volle Beobachtungsobjekte. Wie kann die Gesamtpartei also auf Dauer einer entsprechenden Hochstufung entgehen, wenn sie es nicht schafft diese Teile der Partei zu entfernen? Will die Partei tatsächlich der Hochstufung zum Verdachtsfall entgehen, sollte sie sich sofort von erheblichen Teilen der eigenen Partei, samt ganzer Landesverbände, trennen und glaubhaft von diesen distanzieren. Das dies passiert erscheint jedoch mehr als unwahrscheinlich.
Über die Jahre ist die Partei immer weiter nach rechts gewandert und Faschisten, wie Höcke, haben in der Partei an Einfluss gewonnen. Die Teile der Partei, die sich bisher nicht oder noch nicht soweit radikalisiert haben, decken jedoch die extrem rechten Parteifreunde und machen sich mit ihnen gemein. Die AfD ist der parlamentarische Arm menschenfeindlicher Bewegungen, die die liberale Demokratie ablehnen und ist ein wichtiger Bezugspunkt für die extreme Rechte (vgl. Busch 2018). Einer Hochstufung zum Verdachtsfall kann die AfD zwar mit ihrer Klage hinauszögern, aber nicht auf Dauer verhindern.
Grigat, Stephan (Hrsg.) (2017): Die AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder, Baden-Baden: Nomos.
Pfahl-Traughber, Armin (2019): Die AfD und der Rechtsextremismus. Eine Analyse aus politikwissenschaftlicher Perspektive, Wiesbaden: Springer VS.
Walther, Eva/Isemann, Simon D. (2019): Die AfD psychologisch betrachtet, Wiesbaden: Springer.
ZDFinfo Doku über die Aktivitäten der “Alternative für Deutschland”
[…] von rechten Organisationen und Gruppierungen, wie bspw. die Identitäre Bewegung (IB) oder die AfD. Ein Vorstandsmitglied der Jungen Alternative (JA) Berlin (die Jugendorganisation der AfD, welche […]